Kreuzverschlag bei Pferden

Erblich bedingte oder durch Überlastung ausgelöste Muskelerkrankung

Wenn Pferde plötzlich die Hinterbeine kaum mehr bewegen können, offensichtlich starke Schmerzen haben, ihre Muskulatur im Kruppenbereich hart ist und sie kaffeebraunen Harn absetzen, dann besteht dringender Verdacht auf einen sogenannten Kreuzverschlag. Inzwischen geht man allerdings davon aus, dass es sich beim „Kreuzverschlag“ nicht um ein einheitliches Krankheitsgeschehen handelt. Vielmehr führen verschiedene Fehlfunktionen zu solchen sehr schmerzhaften Entzündungen der Rückenmuskulatur bei Pferden. Das Krankheitsgeschehen kann bis zur Auflösung großer Mengen von Muskelzellen und zur Zerstörung von quergestreiften Muskelfasern (Rhabdomyolyse) reichen.


? Drei Varianten von Kreuzverschlag mit unterschiedlichen Ursachen:

Früher nahm man an, dass Kreuzverschlag durch Fütterungsfehler in Ruhephasen ausgelöst wird, weil vor allem Arbeitspferde nach Wochenenden oder Feiertagen betroffen waren. Andere Bezeichnungen für dieses Krankheitsbild waren deshalb auch „Feiertagskrankheit“ oder im Englischen „Montag-Morgen-Erkrankung“. Heute weiß man, dass dem Kreuzverschlag verschiedene Ursachen zugrunde liegen, die unterschiedliche klinische Varianten auslösen. Mittlerweile wird zwischen einer spontan auftretenden Variante, dem „sporadischen akuten Kreuzverschlag“ (SER, sporadic exertional rhabdomyolysis) und zwei chronisch verlaufenden Formen, dem „Wiederkehrenden belastungsbedingten Kreuzverschlag“ (RER, recurrent exertional rhabomyolysis) und der Polysaccharidspeicherkrankheit (PSSM, polysaccharid storage myopathie) unterschieden.


? Wie entstehen diese Krankheitsbilder?

Sporadischer akuter Kreuzverschlag - SER
Im Unterschied zu den beiden anderen Erkrankungsformen handelt es sich beim sporadischen, akuten Kreuzverschlag nicht primär um eine Stoffwechselkrankheit, sondern um die Folge akuter Überlastung. Betroffen sind vor allem Pferde, denen im Training zu schnell zu große Leistungen abverlangt werden oder die beispielsweise bei Distanzritten überanstrengt wurden. Dazu kommen Tiere, die bei gleichbleibend intensiver Fütterung sehr ungleichmäßigen Belastungen ausgesetzt sind. Die Schädigung der Muskelzellen und deren Zerfall werden durch Überanstrengung in Verbindung mit einem Mangel an Elektrolyten im Organismus ausgelöst. Bei der SER kann es zu sehr heftigen Krankheitsverläufen kommen.

Wiederkehrender belastungsbedingter Kreuzverschlag - RER
Die klinischen Anzeichen bei RER sind in der Regel wesentlich milder als bei der sporadisch auftretenden akuten Form, wobei schwere Verläufe nicht ausgeschlossen sind. Betroffene Pferde gehen unter Umständen lediglich etwas steifer, schwitzen vermehrt und bringen nicht die erwartete Leistung. Außerdem tritt das Problem eher auf, wenn die Pferde in einem vermeintlich guten Trainingszustand sind. Bei der RER handelt es sich nicht um ein Überanstrengungsproblem. Dieser Form des Kreuzverschlags soll vielmehr ein Defekt bei der Regulation des Kalziumstoffwechsels in den Muskelzellen zugrunde liegen. Offenbar sind Stress, Aufregung und Nervosität, aber auch Veränderungen der Routine bzw. der Umgebung Auslöser, die zum Zerfall von Muskelzellen führen. Als zusätzliche Risikofaktoren gelten unter anderem Defizite bei der Mineralstoffversorgung und ein Mangel an Vitamin E bzw. Selen. Wenn Reiter und/ oder Tierarzt nicht bemerken, dass ein Pferd an RER leidet, wird die Muskulatur immer weiter geschädigt. Trotz festgestellter erblicher Disposition für RER, stehen klare Ergebnisse zum genetischen Hintergrund der Erkrankung noch aus. Möglicherweise handelt es sich um einen komplexeren Erbgang als ursprünglich vermutet.


Polysaccharidspeicherkrankheit - PSSM

Bei dieser Muskelerkrankung, die familiär gehäuft bei den Rassen Quarter Horse, American Paint, Appaloosa, Belgisches Kaltblut, Percheron, Haflinger, Araber und Vollblut auftritt, speichern bestimmte Muskelfasern vermehrt Glykogen und/oder andere atypische Mehrfachzucker (Polysaccharide). Ursache dafür sind defekte Enzyme, die die Synthese dieser Polysaccharide in den Muskelfasern beeinflussen und zu deren Anhäufung in den Muskelzellen führen. Man kennt inzwischen mehrere winzige genetische Veränderungen, die solche Stoffwechselabweichungen verursachen. Die sogenannte GYS1-Mutation gilt als Auslöser der Typ1-PSSM. PSSM-Fälle, bei denen sich keine Veränderung dieses Gens nachweisen lässt, fasst man als Typ 2-PSSM zusammen. Klinische Symptome dieser Muskelerkrankung treten vor allem nach Ruhephasen auf (Feiertagskrankheit); die Laborwerte für Muskelenzyme im Blut weichen auch ohne Belastung von den Normalwerten ab. Betroffene Pferde zeigen häufig keine klare Kreuzverschlags-Symptomatik, sondern wirken vor allem steif und wollen sich nicht bewegen. Wie bei der RER sind aber auch bei der PSSM schwerere Verläufe nicht völlig auszuschließen.


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Wie verläuft die Erkrankung Kreuzverschlag?

1️⃣ Leichte Krankheitsverläufe:
Die ersten Symptome werden dabei kurz nach einer Belastung in Form von Unruhe, milden Kolikanzeichen, steifem Gang mit gekrümmtem Rücken und Überstrecken der Sprunggelenke erkennbar. Bei moderaten Verläufen treten Krankheitsanzeichen bereits 20 - 30 Minuten nach Beginn der Arbeit auf. Die Pferde gehen steif, bleiben stehen, die Kruppenmuskulatur verhärtet sich und ist schmerzhaft. Der Harn ist (noch) nicht verfärbt und die Symptome bessern sich nach 3 - 4 Stunden.

2️⃣ Schwere Krankheitsverläufe:
Bei schweren Ausprägungen, dem eigentlichen Kreuzverschlag, lassen sich erste Anzeichen bereits 30 Minuten nach dem Beginn leichter Belastungen feststellen. Die Tiere zeigen kolikartige Schmerzen, können die Hinterbeine kaum bewegen und setzen kaffeebrauen Harn ab. Die Rücken- und Kruppenmuskulatur der Tiere schmerzt hochgradig und ist stark angespannt. Betroffene Pferde schwitzen stark und zeigen weitere Anzeichen einer Kreislaufbelastung. Es kann zum Festliegen kommen. Bestandteile der zerfallenden Muskelzellen (Myoglobin) im Blut können zu schweren Nierenschäden führen.


? Wie wird Kreuzverschlag diagnostiziert?
Alle drei Varianten des sogenannten Kreuzverschlags können mit anderen Krankheiten wie Beckenfrakturen, Thrombosen, Harnröhrensteinen, einer Tetanusinfektion oder Koliken verwechselt werden. Eine zuverlässige Diagnose erlaubt deshalb nur die Untersuchung einer Blutprobe. Weil bei den geschilderten Erkrankungen Muskelzellen zerfallen, steigt die Menge der Muskelenzyme im Blut erkrankter Tiere an. Wenn der Messwert für Muskelenzyme im Blut um ein Vielfaches über der Norm liegt, spricht man von Kreuzverschlag. Auch bei den milderen Verläufen wie dem Tying-up, steigen die Muskelenzyme im Blut an.

Bei Pferden, die an PSSM leiden, sind bereits ohne Belastung erhöhte Werte für die Muskelenzyme in der Blutprobe zu erwarten. Schon bei geringer Belastung steigen die Werte weiter an und fallen nur langsam wieder ab. Durch eine Muskelbiopsie und histologische Untersuchung kann man die gespeicherten Polysaccharide in den Muskelfasern nachwiesen. Außerdem gibt es mittlerweile für einen Teil der PSSM-Fälle einen Gentest zum Nachweis der krankheitsauslösenden Mutation (GYS1-Mutation bei Typ1-PSSM).

? Was wir Ihnen zur Vorsorge empfehlen:
Bei allen Varianten der geschilderten Entzündungen der Rückenmuskulatur müssen die betroffenen Tiere ruhig aufgestallt und warm zugedeckt werden. Vom Tierarzt erhalten sie Schmerzmittel und entkrampfende Medikamente, falls nötig auch Beruhigungsmittel. Häufig erfolgt zudem eine intravenöse Verabreichung von Flüssigkeit und Elektrolyten. Das ist vor allem dann angezeigt, wenn die Tiere stark schwitzen oder zuvor stark geschwitzt haben und um bei schweren Verläufen das Risiko einer Nierenschädigung durch die Abbauprodukte der Muskelzellen zu verringern bzw. um eine kreislaufbedingte Minderdurchblutung dieser Organe zu vermeiden.

Vorbeugend sollten Pferde, bei denen mit belastungsbedingten Myopathien gerechnet wird oder die an PSSM leiden, eine kohlenhydratarme, aber fettreiche Fütterung erhalten. In jedem Fall muss die Intensität der Belastung für das Pferd an das Krankheitsbild und den Schweregrad des Verlaufs angepasst werden. Sowohl zur Fütterung wie auch zur Trainingsplanung empfiehlt es sich, den behandelnden Tierarzt zu Rate zu ziehen. RER- und PSSM-Pferde sollten nicht zur Zucht eingesetzt werden.

Denken Sie daran, wenn Sie bei Ihrem Tier Kreuzverschlag vermuten, konsultieren Sie unsere Pferdeklinik in Maichingen unter 07031 385120 oder besuchen Sie unsere Website pferdeklinik-kleintierpraxis.de für eine gründliche Untersuchung und Behandlungsplanung. Eine frühzeitige Erkennung und Intervention kann das Ergebnis erheblich verbessern und weitere Komplikationen verhindern.

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