Ernährungsbedingte Risiken bei Pferden II: Hufrehe

Jeder Pferdehalter hat es vermutlich schon beim eigenen Pferd oder bei Stallgenossen miterlebt: die Schmerzen und das Leiden der Tiere bei einem akuten Rehe-Schub oder während einer chronischen Rehe-Erkrankung.

Obwohl das Phänomen der Hufrehe schon seit langem bekannt ist, kommt es immer wieder zu umfassenden Neubewertungen der bisherigen Erkenntnisse. Offensichtlich gibt es für das Krankheitsbild Hufrehe noch keine zufriedenstellenden Erklärungen. Das ist auch der Grund, weshalb die verschiedenen therapeutischen und prophylaktischen Ansätze häufig kontrovers diskutiert werden.

Inzwischen wird verstärkt davon ausgegangen, dass es sich bei der Hufrehe gar nicht um eine eigenständige Erkrankung handelt. Hufrehe ist vielmehr ein Syndrom, also eine Kombination von mehreren Krankheitsanzeichen, die das Ergebnis ganz unterschiedlicher Krankheitsprozesse sind. Diese Grunderkrankungen können einerseits den gesamten Organismus des Tieres betreffen, wie Stoffwechselstörungen oder generalisierte Entzündungsprozesse, die durch bestimmte Bakterienbestandteile ausgelöst werden. Andererseits kann in deutlich selteneren Fällen bereits eine ungleichmäßige Verteilung des Körpergewichts der Pferde zu Hufrehe führen, beispielsweise als Folge der Lahmheit einer anderen Gliedmaße. Die großen Unterschiede bei den Grunderkrankungen könnten eine Erklärung dafür sein, weshalb es bei der Behandlung bzw. Prophylaxe der Hufrehe so viele, teils widersprüchliche Herangehensweisen mit wechselndem und oft ungewissem Ausgang gibt.

Was ist Hufrehe? Anatomie und Theorien zur Krankheitsentstehung

Unter Hufrehe versteht man bislang üblicherweise eine Entzündung der Lederhaut im Huf, die nicht direkt durch Bakterien oder äußere Verletzungen, sondern durch Stoffwechselstörungen, Toxine oder mechanische Belastungen ausgelöst wird. Es handelt sich um ein äußerst schmerzhaftes Krankheitsgeschehen, weil die relativ starre Hufkapsel die krankhaften Prozesse in oder an der Huflederhaut einengt. Es ist inzwischen allerdings bekannt, dass die Entzündung der Huflederhaut sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann.

Die Verbindung zwischen dem Hufbein und der Hufkapsel wird durch die Lederhaut mit ihren unzähligen feinen Lamellen gebildet. Diese Verbindung wird als Hufbeinträger bezeichnet und hängt gewissermaßen das gesamte Gewicht des Pferdes in der Hufkapsel auf. Die Huflederhaut bildet zudem das Horn, aus dem sich die Hufkapsel zusammensetzt. Sie wird auch als Hornschuh oder Hornkapsel bezeichnet.

Nach einer bisher gängigen Theorie liegt bei Hufrehe einer Störung der Mikrozirkulation, also des Blutflusses in der Huflederhaut vor, die durch bestimmte Giftstoffe oder Entzündungsauslöser verursacht wird. Die Folgen davon sollen ein Blutstau bzw. eine verminderte Durchblutung in der Lederhaut, ein entzündliches Ödem und das Absterben von Gewebeteilen sein. Einer anderen Hypothese zufolge spielt die Durchblutung der Lederhaut eine untergeordnete Rolle. Rehe auslösende Faktoren wie Toxine und bestimmte Stoffwechselprodukte sollen demnach direkt Schäden an den Zellverbindungen des Hufbeinträgers auslösen (Matrix-Metalloproteinasen-Theorie). Inzwischen geht man davon aus, dass die meisten Hufrehe-Erkrankungen auf einer Insulinresistenz der Pferde basieren, vor allem im Rahmen des Equinen Metabolischen Syndroms, aber auch beim Equinen Cushing-Syndrom. Diese Insulinresistenz bzw. die folgende Hyperinsulinämie sollen ebenfalls eine direkte Schädigung der Zellverbindungen des Hufbeinträgers und möglicherweise Veränderungen des Zellwachstums in der Lederhaut verursachen.

Im Ergebnis führen alle diskutierten Prozesse dazu, dass sich durch krankhafte Veränderungen an den feinen Lederhautlamellen die Verbindung zwischen dem knöchernen Hufbein und der Hornkapsel lockert und löst. Eine mögliche Folge ist, dass das Hufbein in der Hornkapsel absinkt oder nach vorne kippt. Diese Entwicklung wird als Hufbeinsenkung oder -rotation gefürchtet und kann bis zum Durchbruch der Hufbeinspitze durch die Hufsohle reichen. Bei besonders schweren Verläufen kommt es zum sogenannten Ausschuhen, also der vollständigen Ablösung der Hornkapsel von den Hufen. Dauert die Entzündung der Huflederhaut länger als 48 Stunden, spricht man von einer chronischen Rehe.

Wegen der Erkrankungsprozesse im Huf gehen die betroffenen Pferde je nach Schweregrad der damit verbundenen Entzündung unterschiedlich stark lahm und die Gefäße am Fesselkopf pulsieren verstärkt. Die befallenen Hufe fühlen sich zudem vermehrt warm an und sind druckempfindlich. Es spricht einiges dafür, dass sich hochakute Erkrankungsfälle besser mit der Theorie der endotoxinvermittelten Entzündungsprozesse erklären lassen, während schleichendere, chronische Verläufe durch eine Insulinresistenz entstehen.

Weitere Details zu den Auslösern von Hufrehe

Einer der Auslöser für Hufrehe sind die bereits erwähnten Endotoxine. Das sind Bestandteile von Bakterien, die beispielsweise bei Darmerkrankungen oder Fütterungsfehlern in großem Umfang aus dem Darm in die Blutbahn gelangen. Sie lösen dann in der Lederhaut die geschilderten Veränderungen an den Blutgefäßen oder den Zellverbindungen aus. Zurzeit geht man davon aus, dass beispielsweise die Fütterung mit einem zu hohen Getreideanteil zur Verschiebung der Bakterienzusammensetzung im Dickdarm und Veränderungen des Darminhaltes führt, die letztlich diese übermäßige, reheauslösende Endotoxinbildung bewirken. Auch ein hoher Anteil an energiereichen Gräsern im Futter (fruktose- und fruktanreiche Arten bzw. Stadien) scheint sich ähnlich wie ein zu hoher Getreideanteil in der Ration auszuwirken. Außerdem können Endotoxine, die im Zusammenhang mit einer Nachgeburtsverhaltung in der Gebärmutter entstehen, Hufrehe verursachen (Geburtsrehe).

Als wichtigster Grund für Rehe-Erkrankungen gilt inzwischen allerdings die Insulinresistenz im Rahmen des Equinen Metabolischen Syndroms. Charakteristisch für das Equine Metabolische Syndrom ist eine leichte chronische Entzündung des Fettgewebes, die den gesamten Stoffwechsel der meist übergewichtigen Pferde (Ponys!) beeinflusst. Ein wichtiger Effekt davon ist, dass das Fettgewebe nicht mehr in normalem Umfang auf Insulin anspricht (Insulinresistenz). Die dadurch ausgelöste übermäßige Bildung von körpereigenem Insulin (Hyperinsulinämie) schädigt schließlich die Huflederhaut, bei der offenbar auch das Wachstum der feinen Lamellen gestört wird.

Außerdem weiß man schon lange, dass weitere Hormone, die Glucocorticoide, Hufrehe auslösen können. Sie werden dabei entweder von außen zugeführt oder wie beim Equinen Cushing-Syndrom vom Tier selbst im Übermaß gebildet und bewirken ebenfalls, dass das körpereigene Insulin nicht ausreichend wirken kann. Beide Formen der Insulinresistenz müssen diagnostisch unterschieden werden, um therapeutischen die Ursache zu korrigieren.

Weitere bekannte Auslöser für krankhafte Veränderungen der Huflederhaut sind pflanzliche oder synthetische Giftstoffe, die von den Pferden aufgenommen werden (Vergiftungsrehe). Schließlich gibt es auch noch mechanische Überlastungen der Huflederhaut, beispielsweise bei der sogenannten Marschrehe oder bei einseitiger Belastung von Gliedmaßen.

Was kann man therapeutisch tun?

Die wichtigste Sofortmaßnahme bei einem akuten Reheschub ist eine intensive Kühlung der betroffenen Hufe bis über den Kronrand mit Eis, beispielsweise in Socken oder Tüten. Kaltes Leitungswasser allein reicht nicht aus, um das Entzündungsgeschehen effektiv genug einzudämmen.

An Hufrehe erkrankte Pferde sollte man zudem auf einen weichen Untergrund stellen, Stress vermeiden und die Fütterung umgehend an die neue Situation anpassen. Es sollte nur Heu und/oder Stroh mit geringem Futterwert (niedrige Fruktankonzentration z.B. bei Haferstroh oder abgelagertem Heu) verfüttert werden.

Die Aufgabe des Tierarztes ist es schließlich, neben der Schmerzlinderung möglichst rasch für eine Normalisierung der Durchblutung und Stoffwechselsituation der Lederhaut zu sorgen. Dafür stehen verschiedene Therapieformen zur Verfügung, die so kontrovers diskutiert werden wie die Entstehung der Hufrehe. Sie reichen von der Blutverdünnung, über die Bekämpfung der Ödembildung bis zum Aderlass. Außerdem gibt es zahlreiche Ansätze, wie erkrankte Hufe oder Hufteile mechanisch durch Rehegipse, Hufschuhe, spezielle Beschläge oder durch gezieltes Ausschneiden und Kürzen des Horns entlastet werden können. Bei hochgradigen Fällen kann es notwendig werden, die Tiere mithilfe von Gurten komplett aufzuhängen und so die Gliedmaßen zu entlasten.

Bei chronischen Rehe-Erkrankungen sollten bildgebende Verfahren (Röntgen u.a.) angewendet werden, um das Ausmaß der Schädigung innerhalb des Hufs zu erfassen und um eine Prognose zu den Heilungschancen stellen zu können. Je länger die Rehe-Erkrankung anhält bzw. wenn immer wieder neue Schübe auftreten, umso deutlicher kommt es auch zu verschiedenen äußerlich erkennbaren Verformungen der Hufkapsel.

Wie kann man vorbeugen?

Grundsätzlich tragen eine artgerechte Pferdehaltung mit Bewegungsfreiheit auf entsprechend großen Flächen, Gruppenhaltung, die Vermeidung von Stress und tägliche Hufkontrolle und -pflege dazu bei, einige der Rehe auslösenden Faktoren zu vermeiden.

Von herausragender Bedeutung ist neben der Unterbringung der Tiere auch deren Fütterung, die an das jeweilige Individuum angepasst sein muss. Dazu müssen der Pferdetyp, die Leistungsanforderungen, das Alter und der Gesundheitszustand berücksichtigt werden. Bei allen Pferden – insbesondere bei solchen mit bereits bestehendem Übergewicht oder mit einer Rehe-Vorgeschichte - muss es das Ziel sein, Übergewicht zu verringern oder zu vermeiden. Es darf also keinesfalls zu energiereich gefüttert werden, weil dadurch das Equine Metabolische Syndrom begünstigt und/oder das Darmmikrobiom verändert wird, verbunden mit der Bildung der genannten Endotoxine. Es sollte immer rohfaserreiches Futter wie abgelagertes, spät gewonnenes (überständiges) Heu und Haferstroh bevorzugt werden. Wird Silage verfüttert, dann ist die Zusammensetzung und der Schnittzeitpunkt des Frischgrases von Bedeutung. Manche Gräser (z.B. Weidelgras) und Klee enthalten einen hohen Anteil an wasserlöslichen Kohlenhydraten, auch Fruktane, die wegen ihrer Wirkung auf die Darmflora unter anderem für die Entstehung von Futterrehe verantwortlich gemacht werden. Der Fruktangehalt von Gräsern ist vor allem an den ersten sonnigen Frühjahrstagen und im Spätherbst hoch, wenn die durch die Sonneneinstrahlung gewonnenen Energie von den Gräsern nicht ausreichend in Wachstum umgesetzt werden kann und deshalb in Form dieser Kohlenhydrate gespeichert wird. Generell gilt, dass jede Futterumstellung langsam erfolgen sollte.

Zum Schutz vor Vergiftungsrehe sollten Giftpflanzen und Pilze von den Weiden entfernt werden. Um Geburtsrehe zu vermeiden, muss man sicherstellen, dass die Nachgeburt innerhalb von 2 Stunden nach einer Geburt vollständig (!) abgegangen ist.

Gegen eine mechanische Überlastung der Huflederhaut hilft, Trab und Galopp auf harten Untergründen zu vermeiden. Nach längeren oder anstrengenden Ausritten und Transporten empfiehlt es sich, die Beine des Pferdes zu kühlen oder strapazierte Gliedmaßen zu bandagieren. Dies gilt auch bei einseitigen Belastungen wegen Lahmheiten.

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